Ein Kiez mischt sich ein

Einen Mitstreiter findet der Verein in Dr. Michail Nelken, der bis zum September 2016 Verordneter der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow war. Dieser brachte im Juni 2016 in der BVV den vom Verein für Lebensqualität e.V. erarbeiteten Antrag „Behutsame Nachverdichtung an der Michelangelostraße“ ein, der unter anderem fordert, „den derzeit auf der Basis des städtebaulichen Entwurfes des Architekten Görge begonnenen Planungsprozess für eine Neubebauung an der Michelangelostraße auf fundierter Grundlage unter aktiver Mitwirkung der Anrainer und Anwohner neu zu beginnen“ sowie „das ganze Planungsverfahren(ISEK und B-Planverfahren) transparent und offen hinsichtlich seiner Inhalte und Ergebnisse durchzuführen, wobei das Einvernehmen mit Anwohnern und Anrainern anzustreben ist.“ Der Beschluss wurde mehrheitlich gefasst. Der Verein erwirkte damit vor allem eine Überarbeitung des Gewinnerentwurfs und die Teilhabe an dem weiteren Planungsprozess.
Tatsächlich wurde der städtebauliche Entwurf des Stadtentwicklungsamtes Pankow überarbeitet, das Resultat im März 2017 publiziert und bei einer weiteren Informationsveranstaltung im April der Öffentlichkeit präsentiert. Krüger kann jedoch die Veränderungen nicht erkennen, „das Stadtentwicklungsamt hat den BVV-Beschluss von 2016 völlig ignoriert.“ Der Verein fühlt sich übergangen und ist der Überzeugung, dass die Beteiligten aus Politik und Wirtschaft festen Willens sind, dieses Bauvorhaben wie geplant durchzuführen. Dem entgegnen sie mit geschlossenen Fronten. Unterschriftensammlung, Flugblattaktionen, 14-tägige Informationstreffen der Vereinsmitglieder und zuletzt im Juli 2017 ein Stand auf dem Mühlenkiezfest gehören zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.

 

Gespräche auf Augenhöhe

Durch den enormen Druck der engagierten Vereinsmitglieder konnte aber erwirkt werden, dass diese ab sofort in einem vom Stadtentwicklungsamt einberufenen Beteiligungsverfahren an dem Prozess teilhaben können. Bei der Informationsveranstaltung des Stadtentwicklungsamtes im April 2017 wurden Interessierte dazu aufgerufen, sich in dieses Verfahren einzubringen. Vertreter der Bewohnerschaft, die ansässigen Wohnungsunternehmen und Gewerbetreibende meldeten sich zu Wort, darunter auch der „Verein für Lebensqualität an der Michelangelostraße e.V.“. Im Juli 2017 trafen sich die Verantwortlichen aus den Fachabteilungen von Senat und Bezirk mit den beauftragten Fachplanungsbüros, um die Rahmenbedingungen für ein solches Beteiligungsverfahren abzustecken. Geplant sind nun fünf Treffen am „runden Tisch“, zu denen alle Beteiligten, darunter auch Krüger und Ahnis, zusammenkommen, um auf Augenhöhe über die verschiedenen Positionen zu diskutieren und eine Basis für eine zu finden.

„Wir möchten uns in diesen Prozess qualitativ einbringen und das Vorhaben vorwärtstreiben, nicht nur blocken“, so Krüger. Eine besondere Forderung des Vereins sei es gewesen, als erstes ein zusätzliches Treffen zum neuen Thema „Lebensqualität“ abzuhalten, so Ahnis, der Bezirk und der Senat hätten zunächst gar nicht verstanden, warum dies ein besonders gewichtiges Thema für die Bewohner sei. „Aber wir wollen hier gerne noch ein paar Jahre gut leben, deshalb ist es für uns wichtig, welche Qualität das Leben in unserem Wohngebiet hat“, so die pensionierte Informationswissenschaftlerin. Kuhn sieht den Gesprächen positiv entgegen, er wolle die „Leute mitnehmen“ und Ergebnisse finden, die den Bewohnern „nicht vor den Kopf stößt“. Im September 2017 soll die erste Themenrunde stattfinden, bis zum Januar 2018 folgen Treffen zu den Themen Wohnen, Verkehr, Ökologie und Gewerbe/ Soziale Infrastruktur. Im besten Falle führen die Treffen zu einer Einigung in den Positionen, die die Grundlage für eine Weiterentwicklung des bestehenden Entwurfes in zwei Werkstattgesprächen bilden, die im 1. Quartal 2018 stattfinden sollen. Auch hieran sollen sich möglichst viele Parteien beteiligen, einzelne Bürgervertreter, je zwei Vertreter aus unterschiedlichen Richtungen – wie Anwohnerinitiativen, Wohnungsunternehmen und öffentliche Vertreter, können teilnehmen. Der Verein fühlt sich durch diese Quotenregelung gegängelt und in seinem Mitspracherecht eingeschränkt, Rogge erklärt sie als Möglichkeit, eine „Alleinvertretung“ einzelner Gesprächsparteien vorzubeugen und verschiedene Stimmen anzuhören. Der Verein nimmt den Kampf auf und bereitet sich intensiv auf die Gespräche vor. Es sollen Sachverhalte vorgetragen werden und Krüger erwartet endlich Antworten „nach bestem Gewissen“ von den Beteiligten aus Politik und Verwaltung. Der Ausgang ist unsicher.

Sicher ist: Es wird gebaut, der Bezirk stellt sich bei guten Verhandlungen auf einen Baubeginn im Jahr 2022 ein.