Winsviertel als Hochbetten-Burg

An diesem Freitag verschafft er Familie Dittmar zu mehr Platz im Kinderzimmer. Seit zwei Jahren wohnt die vierköpfige Familie in der schicken Altbauwohnung, die mit vier Zimmern grundsätzlich viel Platz bereithält. „Jetzt scheint aber eine Phase zu beginnen, in die der Große einen Rückzugsort für sich benötigt“, so Julia. Das vierte Zimmer benötigen die berufstätigen Eltern als Arbeitszimmer, ein Umzug kommt nicht in Frage. Die mehr als acht Quadratmeter große Hochetage ist die Lösung. Über eine Leiter und durch die Luke kommen die Kinder auf die zweite Ebene, wo der Größere von beiden sein Bett und Platz zum Spielen haben soll. Immer mehr Menschen arbeiten von Zuhause und benötigen einen Arbeitsplatz, die klassische Aufteilung Wohn- und Schlafzimmer plus zwei Kinderzimmer gilt nicht mehr. Paare, die eine Familie gründen überlegen sich zudem doppelt gut, ob sie die bezahlbare 3-Raum-Wohnung aufgeben, denn bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. „Der Klassiker sind Familien mit ein oder zwei Kindern, die noch einmal Nachwuchs erwarten“, erzählt Peter, „dann reichen die drei oder vier Zimmer nicht mehr aus, aber eine 5-Raum-Wohnung ist für nahezu niemanden erschwinglich, die 4-Raum-Wohnungen rar“. Die Tendenz anstatt eines Umzuges aufzustocken, beobachtet der Tischler vor allem im Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain, aber auch in Charlottenburg oder Steglitz. Allein im Winskiez hat Peter mehr als 20 Hochbetten eingebaut. Er wird weiterempfohlen, seine Arbeit verrichtet er unaufdringlich und professionell. Neben wachsende Familien mit Platzproblemen stößt der Tischler auch auf Menschen, die sich für sehr viel Geld Eigentumswohnungen kaufen und die ihre teuer erkauften Quadratmeter so effizient wie möglich nutzen möchten. Schicke Einbauschränke werden passgenau auf Dachschrägen und schiefe Altbauwände angefertigt. Deshalb sind Einbauschränke neben Hochetagen die beliebtesten Auftragsarbeiten des Prenzlberg-Tischlers.

Altbauwohnungen lassen Raum für Neues

Nach drei Stunden steht ein Großteil des tragenden Holzgerüstes, die Pfosten sind in der Wand fixiert. Nach und nach werden die zuvor in der Werkstatt zugeschnittenen Holzbalken angebracht. Peter und Bert gehen dabei routiniert vor. In Vorgesprächen bespricht Peter zunächst mit dem Kunden, welche Idee sie haben und welchen Zweck das Möbelstück erfüllen soll. Gehen die Vorstellungen der Kunden am angedachten Budget oder der Realisierung vorbei, zeigt er seinen Kunden, was geht – und was eben nicht. Der Aufbau des Hochbettes oder das Aufstellen des Möbels ist dann ein Kinderspiel. Julia verspricht sich von der Investition eine langfristige Lösung des Raumproblems. Als das Gerüst steht und Peter die ersten Latten für die neue Fußbodenfläche anbringt, werden die Ausmaße erkennbar: 2,20 x 4 m misst die Hochebene, das 30 Quadratmeter große Zimmer wirkt nun ausgefüllter, ohne an Größe zu verlieren. Die großzügigen Altbauwohnungen im Prenzlauer Berg eignen sich sehr gut für solche Hochetagen.
Julia schaut sich den etwa sechsstündigen Aufbau von weitem an. Das ist auch besser so, denn wo gehobelt wird, fallen Späne. „Jeder Auftrag ist anders, denn jede Wohnung ist anders“, so Peter. Schiefe Altbauwände sind die Herausforderung, jeder Holzbalken muss individuell vor Ort angepasst werden. Aber der Aufwand lohnt sich. Am Ende des Tages steht die Hochebene. Nun kann Julia durchsaugen und so den feinen Spanstaub entfernen. Am Abend ziehen die Jungs ein und begutachten das neue Konstrukt in ihrem Zimmer, das für Begeisterung sorgt. An der Unterseite der Etage wird ein Hängesessel befestigt, der zum Chillen einlädt. Alle sind glücklich, fast neun Quadratmeter Wohnraum wurden geschaffen. Peter und Bert ziehen weiter, um in anderen Wohnungen Platz zu schaffen – durch die zunehmende Wohnungsknappheit wird es dem Prenzlberg-Tischler nicht an Arbeit fehlen.