Gemeinde der Veränderungen

Seit drei Jahren ist Kuske Pfarrer in der Gemeinde, zuvor war er Kreisjugendpfarrer in der evangelischen Kirche Nord-Ost. „Wenn etwas diese Gemeinde besonders charakterisiert, dann ist es die Umbruchzeit von 1989“, so Kuske, das spüre er heute noch. Mit der Wendezeit wurde vielen Menschen ein Stück Sicherheit genommen, Gemeindemitglieder suchen diese noch immer in der Kirche. „Sie haben eine Sehnsucht nach Verlässlichkeit“, so Kuske, „die können wir nicht immer erfüllen.“

Im Jahr 2001 wurden die Gemeinden Elias, Gethsemane, Paul Gerhardt und Segen zur heutigen Gemeinde Prenzlauer Berg zusammengelegt. So eine Zusammenführung bringt auch Veränderungen mit sich – neue Gemeindemitglieder, veränderte Veranstaltungsorte und eine neue Dynamik im Gemeindeleben. Zu den besonderen Herausforderungen der Gemeinde Prenzlauer Berg gehört auch die Gethsemanekirche, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Seit 2015 wird das Gotteshaus saniert, die eingeschränkte Nutzung des Geländes und die Bauarbeiten sind ein Kraftakt für die Gemeinde und eine Geduldsprobe für die Mitglieder.

Ein besonderes Verständnis müssen die Gemeindemitglieder zeigen, wenn sie zum Weihnachtsfest nicht in die Kirche können, weil sie bereits überfüllt ist – für gläubige Menschen besonders bitter. In Zukunft sollen Angebote wie die Übertragung der Gottestdienste vor der Kirche für eine kleine Entschädigung sorgen, so Kuske. Anders lasse es sich nun einmal nicht regeln, denn die Kirche ist ein offener Ort für jeden, damit müsse man auch an so hohen Feiertagen umgehen.

Ein Raum für alle

Rund 12.000 Gemeindemitglieder hat die evangelische Kirche in Prenzlauer Berg – groß genug, um für ein reges Gemeindeleben zu sorgen. Neben üblichen Angeboten wie dem Bibelkreis, der Christenlehre und den Gebetskreisen findet der Abholdienst besonderen Anklang. Ältere Menschen, die selbst keine Enkelkinder haben oder deren Familienangehörige weiter weg wohnen, bieten an, die ihnen anvertrauten Kinder aus der Schule abzuholen und zu ihren Nachmittagsaktivitäten zu begleiten. In einem Kiez, in dem viele Eltern aktiv im Arbeitsleben stehen, ist das eine gute Entlastung. Die Senioren haben wiederum eine willkommene Abwechslung und Freude am „Enkel-Ersatz“.
Sehr beliebt ist außerdem die Singschule, die bekannt für ihre vielen Chöre ist, in denen etwa 337 Menschen aktiv sind. Kinder und Jugendliche kommen hier zusammen, um über Sprachgrenzen hinaus, gemeinsam zu singen und sich gemeinsam für ein gutes Miteinander stark zu machen. Zu den ambitionierten Projekten gehört die Weihnachtsgeschichte, die sie auf arabisch vortragen.

Innenraum

Foto: ekpn

„Ohne echtes Engagement der Jugendlichen wäre das nicht möglich“, so Kuske, „um so etwas durchzuführen, müssen sie wirklich dahinterstehen“. Musik führt Menschen zusammen, weshalb die Singschule auch gern von konfessionslosen Menschen genutzt wird.
„Es ist auch eine Art Mission durch Musik“, so Kuske, „denn irgendwann wird sich jeder die Frage stellen, inwiefern er der Kirche als einer Art Solidargemeinschaft angehören möchte“, so Kuske. Er erzählt von einem Jungen, der fünf Jahre lang im Chor gesungen hat, bevor er sich taufen ließ. Mittlerweile sei seine ganze Familie getauft; über die Musik haben sie zum Glauben gefunden. Vielleicht ist die evangelische Gemeinde deshalb eine besondere Gemeinschaft in Prenzlauer Berg: Arbeits- und Wohnungslose, Senioren, Alleinerziehende und andere Menschen, die nicht zu denen gehören, die die Vor teile des Prenzlauer Berges – schöne Wohnungen und schicke Läden – in vollen Zügen genießen können, finden in der Gemeinde zusammen.

Und sei es nur an Heiligabend, dem Fest der Liebe und Barmherzigkeit.