Folge 1

Alt-Pankow

Im Großbezirk Pankow macht der namensgebende Ortsteil flächenmäßig nur einen geringen Teil aus. Genau genommen ist er der viertkleinste der 13 Ortsteile, weitaus kleiner als Weißensee oder Prenzlauer Berg, selbst Niederschönhausen ist größer.

Nichtsdestotrotz hat das 1311 erstmals urkundlich erwähnte Angerdorf, das seinen Namen der ihn im Norden begrenzenden Panke verdankt, über Jahrhunderte eine weitaus größere Strahlkraft nach Berlin hinein gehabt. Seit auf der anderen Seite des Flüsschens Elisabeth Christine, die ungeliebte Gemahlin Friedrichs II., im Schloss Schönhausen glückliche Sommermonate verbrachte, bedachte man das dörfliche Pankow und das angrenzende Schlossparkareal als Rückzugsort der Hohenzollern zunehmend mit Aufmerksamkeit.

Alte Pfarrkirche an der Breiten Straße

Mit dem industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerjahre wurde Pankow – wie auch die umliegenden Gemeinden – aufgrund seiner landschaftlichen Vorzüge zu einem beliebten Ziel der Sommerfrischler, was zu einem Ausbau der Infrastruktur führte, sodass Fabrikanten, Bankiers und andere Gutbetuchte sich villenartige Sommersitze und bald auch winterfeste Residenzen errichten ließen.

Mit der zunehmenden Bebauung und der Anlage des Straßensystems ging in den 1890er Jahren der dörfliche Charakter Pankows weitestgehend verloren. Erahnen lässt er sich noch an der ellipsenförmigen Teilung der Breiten Straße, wo auf dem ursprünglichen Dorfanger seit 1857 einer der ältesten noch existierenden Wochenmärkte abgehalten wird.

Hier befindet sich auch die einstige Dorfkirche, deren grobe Feldsteingrundmauern im 15. Jahrhundert einen Vorgängerbau aus Holz ersetzten. Ende der 1850er Jahre ließ der berühmte preußische Baumeister Friedrich August Stüler die Kirche erweitern, indem er ihr die Backsteingestalt verpasste und zwei achteckige Glockentürme errichten ließ. In dem massiven Umbau der Kirche manifestiert sich exemplarisch die Überformung der ländlichen durch städtische Strukturen.

Alte Bäckerei

Wer heute nach Spuren des dörflichen Lebens in Pankow sucht, findet fünf Gehminuten entfernt in der Wollankstraße 130 die vor gut 150 Jahren erbaute Alte Bäckerei. Die mit Originalmöbeln eingerichteten Räume des kleinen Hauses spiegeln das ländliche Leben einer Pankower Familie um das Jahr 1900 wider, auch historisches Spielzeug entdeckt man hier im Museum für Kindheit. An drei Nachmittagen in der Woche weht der Duft frisch gebackenen Brotes, das direkt vom historischen Brustfeuerungsofen aus verkauft wird, von der Remise herüber in die Räumlichkeiten. Und wer einmal in einem alten Bauernbett schlafen und in einer Holztrogbadewanne planschen will, hat die Möglichkeit, sich unter dem Giebeldach des Hauses tageweise einzuquartieren.

Um die Wohnsituation der Wohlsituierten jener Zeit kennenzulernen, empfiehlt sich der kurze Spaziergang in die Heynstraße 8. Hier ließ der Stuhlrohrfabrikant Fritz Heyn im Jahr 1893 direkt neben seinem Gewerbehof, den heutigen Heyn-Höfen, in der bereits zu Lebzeiten nach ihm benannten Straße ein repräsentatives Wohnhaus errichten, in welchem er mit seiner Familie die Beletage bewohnte.

Museumsstandort Heynstraße 8

Achtzig Jahre später fand man im Zuge der Wohnungsauflösung einige der Räumlichkeiten in ihrer originalen Ausstattung vor und machte sie umgehend zum Museumsstandort. In den opulent ausgestatteten Salons mit ihren bemalten Stuckdecken und Wänden, den schmuckvollen Kachelöfen, schweren Kristallleuchtern und der historischen Möblierung bekommt man auch heute noch einen authentischen Eindruck vom großbürgerlichen Leben in wilhelminischer Zeit. Mit etwas Glück wird die Spieluhr des Zigarrenspenders in Gang gesetzt. Nicht entgehen lassen sollte man sich in jedem Fall die geflieste Badewanne mit ihrem Einstiegstreppchen sowie den alten Küchenofen mit seinem eingebauten Waffeleisen. Darüber hinaus laden Wechselausstellungen dazu ein, historische Persönlichkeiten Pankows oder Aspekte regionaler Geschichte besser kennenzulernen.

KunstEtagenPankow

Zurück in der Gegenwart empfiehlt sich ein Blick auf die Orte für zeitgenössische Kunst, die in Pankow auch nicht ganz so leicht zu finden sind. In dem Plattenbau in der Pestalozzistraße 5-8, in dem Alexander Schalck-Golodkowski einst mit 700 Angestellten Milliarden an Devisen beschafft hat, sind heute die KunstEtagenPankow zuhause. Auf vier Etagen entstehen hier in zahlreichen Ateliers Kunstwerke, kunsthandwerkliche Dinge und Designerwaren. Zu besonderen Anlässen wie dem artspring-Wochenende öffnen die Kunstschaffenden das Haus für Werkschauen, präsentieren ihre Arbeiten und geben Einblicke in die Produktionsprozesse. Wie viele andere Kreativräume auch, sind die KunstEtagen von der Schließung bedroht und sollen im kommenden Jahr Wohnbauprojekten Platz machen.

Galerie Pankow

Im Gegensatz zu den noch recht jungen Atelierräumen existiert die Galerie Pankow bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts und gehört damit zu den ältesten kommunalen Galerien Berlins. 1990 zog sie in die Breite Straße 8 und liegt dort etwas versteckt in einer Jugendstilwohnung in der ersten Etage. Hier werden künstlerische Positionen in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Fotografie und Videokunst gezeigt, wobei vor allem an die Kunstentwicklung im ehemaligen Ostteil der Stadt angeknüpft wird, in dem beispielsweise Künstlerinnen und Künstler der älteren und mittleren Generation aktuelle Arbeiten präsentieren. Darüber hinaus erhalten junge Kunstschaffende die Möglichkeit, sich in einer ersten Einzelausstellung der Öffentlichkeit vorzustellen, um darüber Kontakte zu Galerien zu bekommen.

Galerie Andreas Schmidt

Eine dieser Galerien könnte die des Fotografen Andreas Schmidt in der Florastraße 61 sein. Seit 2016 präsentiert er hier in wechselnden Ausstellungen mit einem gesunden Blick auf den Kunstmarkt und – wenn man dem Manifest auf seiner Galeriewebsite glauben mag – auch mit einer erfrischenden Prise Humor etwa 20 internationale Künstlerinnen und Künstler, vorrangig aus dem Bereich Fotografie.

 

Galerie Forum Amalienpark

Fotografien findet man eher selten in der Galerie Forum Amalienpark, die sich seit 1997 vor allem den klassischen Mitteln der bildenden Kunst verschrieben hat: Malerei, Zeichnung, Grafik und Skulptur. Das Besondere ist hier, dass eine Gruppe von elf Künstlerinnen und Künstlern das Galerieprogramm gestaltet, die in sieben bis acht Ausstellungen pro Jahr bevorzugt eigene Werke ausstellt, jedoch immer wieder auch Gastkünstlerinnen und -künstler einlädt. In den letzten zwanzig Jahren sind die Galerieräume im Amalienpark, einer von Otto March 1897 im Landhausstil entworfenen Wohnanlage, zu einem Treffpunkt für Kunst- und Kulturinteressierte geworden, ein Umstand, dem mit Buchpräsentationen und gelegentlichen Abendveranstaltungen Rechnung getragen wird.

Zimmer 16

Hiervon dürfte es tatsächlich mehr geben, denn wenngleich sich in Pankow seit einigen Jahren eine rege Restaurant- und Kneipenkultur entwickelt, ist es um ein kulturelles Abendangebot noch recht schlecht bestellt. Im Grunde gibt es nur zwei Orte, die abends regelmäßig Kulturveranstaltungen anbieten: In der Berliner Straße 53 finden auf der rot ausgekleideten Bühne des Varia Vineta, das sich selbstbewusst als Pankows Stadttheater versteht, mehrmals im Monat Improvisationstheater-Vorstellungen verschiedener freier Gruppen statt. Und mit dem Zimmer 16 hat Pankow in der Florastraße eine Kleinkunstbühne, die nationalen wie internationalen Künstlerinnen und Künstlern offen steht. Zumeist sind Singer/Songwriter zu Gast, darüber hinaus gibt es unplugged-Konzerte, Weltmusikprojekte, Lesungen, kleine Schauspielproduktionen und Comedyabende. ■

Text & Fotos: Marc Lippuner

Marc Lippuner hat Germanistik, Geschichte sowie Kultur- und Medienmanagement studiert. Nach Jahren als Theatermacher leitet er seit 2017 die WABE im Herzen von Prenzlauer Berg. Nebenbei frönt er mit den von ihm gegründeten Kulturfritzen, einem kleinen Projektbüro für kulturelle Angelegenheiten, seiner Berlin-Liebe.
Auf Twitter postet er nahezu jeden Tag einen #Berlinfakt, im Frühjahr erschien sein Spaziergangsführer für den Großbezirk Pankow im Elsengold-Verlag.
Für unser Magazin begibt er sich auf kulturelle Entdeckungsreisen durch die Berliner Kieze, darüberhinaus gibt es immer eine Handvoll Empfehlungen für Kultur-Events, die man im kommenden Quartal seiner Meinung nach nicht verpassen sollte.