Das ewige Gezuckel und das lahme „Laaateeeerne-Laaaateeeerne …“-Geleier und dann das: „Ich will auf deine Schultern, ich kann nich mehr laufen“. Wir waren froh ,wenn die Runde durch den dunklen Friedrichshain abgebummelt war und alle durchgefroren am Kindergarten ankamen.
Aber der alljährliche Laternenumzug wandelte sich diesmal mit Einführung der Schalmeien-Kapelle entscheidend.

Auf der Strasse vor dem Kindergarten standen zwanzig Musikanten in maßgeschneiderten blauen Uniformen mit blanken Knöpfen, golden Troddeln, imposanten Epauletten, bunten Trommeln und polierten Blasinstrumenten in Reih und Glied und unbeweglicher Miene. An der Spitze der Tambour, der den geschmücktem Kommandostab in die Luft piekte.
Als die Marschmusik anhob, in einer Lautstärke, mit der niemand gerechnet hatte, wurden nicht nur hundertzwanzig Kinderaugen groß und standen sechzig Kindermünder offen, bei den Eltern war es dasselbe. Man sah einander an und wusste nicht recht was man davon halten sollte. Die Fenster in den Wohnhäusern gingen auf und selbst den Polizisten, die uns alle Jahre gelangweilt die Strasse freihielten glänzten diesmal die Augen.
Zügig wurde durch den Park marschiert, kein Kind musste auf die Schultern und selbst die kleinsten marschierten bereitwillig im Takt wie aufgezogen.

Der Weg der Kolonne aus bunten, baumelnden Lichtern, angeführt von der streng geordneten Marschkapelle, durch den nächtlichen Park dauerte nicht eine Stunde, wie sonst, sondern eine halbe.
Der Herdentrieb und die glänzenden Anführer an unserer Spitze, die uns hinter sich herzogen mit militärischen Takt, lies uns wie ferngesteuert Schritt halten.

Unterhalten musste sich auch keiner bei der Lautstärke. Nur einmal hörte ich, wie ein mürrischer Vater, zu einem sehr alten Mann, der auf einer Parkbank saß, begeistert mitklatschte und strahlte über das ganze zahnlose Gesicht, und der Kappelle mit seinen halbblinden aber plötzlich funkelnden, weißblauen Augen hinterher leuchtete, sagte: „Schön den Arm unten lassen, Opa.“

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