Bärbel Stolz Kolumne

Bärbels ungebetener Ratschlag – HELP! Strawberry fields forever

Love is all you need

The Beatles

Eine Kolumne von Bärbel Stolz

Und das stimmt. Nicht nur, weil die Beatles praktisch immer recht haben. Beatles-Songs können dich prima durchs Leben navigieren. Irgendwas passt immer. Und wenn es dein Gegenüber befremdet, weil „I am the walrus“ in jedem Zusammenhang keinen Sinn zu machen scheint, kannst du immer noch sphinxenhaft lächeln und sagen: „Die Beatles, ne! Die wussten Bescheid.“ 

Hach ja. Schön wär das ja. Bescheid wissen. Sich sicher sein. Stattdessen ist gerade alles so kompliziert. Oder? Wenn man sich die Corona-Regel-Seiten der einzelnen Bundesländer anschaut, drängt sich der Gedanke auf. Andererseits ist es auch wieder simpel: AHA. Zu Hause bleiben. Es sich nett machen. Nett. Tss. Nicht mal „nett“ kannst du doch einfach so benutzen! Heißt das jetzt „nett“ oder „kleine Schwester von Scheiße“? Puh. Kompliziert. 

„Liebe ist doch so einfach.“ 

Das sagt Arletty, die berühmte französische Schauspielerin in dem Film „Die Kinder des Olymp“. (Könnt ihr anschauen, ist ein schwarz-weißer Klassiker, endlich die Klassiker gucken ist doch ein Projekt für einen Lockdown.) „Ich liebe diesen Satz“, habe ich damals in mein Tagebuch geschrieben – und gehofft, dass ich ihn auch irgendwann verstehen würde. Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich aus dem Deutschunterricht den Satz mitgenommen: „Den Liebenden lieben die Götter mehr als den Geliebten.“ Woher genau der stammt, weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber noch, dass dahinter in meinem Tagebuch stand: „Das kann ja sein, aber ich finde, ich war jetzt lange genug der Liebende, kann ich jetzt mal der Geliebte sein?“ Gegendert habe ich damals nicht, obwohl ich bei freier Erörterung gerne das Thema „Gleichberechtigung“ gewählt habe. Ich liebe dich. Je t´aime. Ja ljublju tjebja. Ti amo. Wo ai ni. S´ayapo. Jeg elsker dig. „Die Sprachen der Liebe“ hieß das kleine Büchlein, das ich hatte – und theoretisch konnte ich „Ich liebe dich“ in mindestens fünf Sprachen. Und dann hat es bis in meine Zwanziger hinein gedauert, bis ich die drei magischen Worte ausgesprochen habe. So romantisch war ich. Ich dachte nämlich, wenn ich das jemals sage, dann muss ich das genau wissen, dass es dann für immer und ewig ist. Ah ja, dabei fällt mir ein Filmzitat ein, das mich damals etwas verstört hat: „Ich schwöre, dass ich dich liebe – für immer. Das sagt man einmal, aber hört es sein Leben lang.“ Irgendein Film mit Romy Schneider und womöglich Alain Delon, und er stirbt und sie muss dann ganz schön lange von diesem Echo zehren … egal. Wenn es jemand zu mir sagen wollte, habe ich auch panisch abgeblockt, weil ich diese Verantwortung nicht tragen wollte, diese Liebe von jemandem, den ich dann womöglich aber nicht genauso zurücklieben kann. Kompliziert. Schrecklich kompliziert, das mit der Liebe. Fand ich. Aber ab dem Moment, wo ich es dann mal gesagt hatte – zunächst mit dem schnellen Zusatz: „Das soll dich jetzt aber nicht unter Druck setzen, das ist meine Sache, mein Gefühl und das ist total okay und sehr schön so“ – habe ich großen Spaß daran entwickelt, es zu sagen. Ich sage es immer noch gerne mehrmals täglich. Von meinen Kindern höre ich dann oft: „Jaha, weiß ich“. Mit meinen Kindern ist es super – Liebeswelle steigt in mir hoch – platsch, schütte ich sie über ihnen aus. Einfach. Aber wenn man Kinder bekommt, ist eine ganz andere Art von Liebe im Vordergrund als diese komplizierte romantische. Die kriegt man einfach so BÄM reingeknallt und sie ist absolut und unendlich und bedingungslos. So wie sie sein soll. Einfach ist das aber auch nicht, weil dein Herz dann permanent außerhalb von dir unterwegs ist und du immer Angst um diese Menschlein hast. 

Botho Strauß hat mal ein Buch geschrieben: „Über Liebe“. Und darin steht auch ein Satz, der es in mein Tagebuch geschafft hat. Er schreibt, man müsse einander Raum geben, immer wieder auch auf Abstand gehen als Paar … sonst steht man eines Tages zu dicht voreinander, als dass man sich überhaupt noch sehen könnte und fragt sich: „Wen lieb ich mir da?“ 

bstand ist ja gerade Thema. Zu viel und zu wenig. Und genau das Maß an Abstand kann über die Liebe entscheiden. Nicht nur bei Paaren. Auch bei Freunden. Manchmal ist es ganz wichtig, Abstand zu gewinnen, um sich wieder richtig lieb haben zu können. Damit wieder Sehnsucht wächst. Vor einem Jahr kam der Lockdown vielen doch gar nicht ungelegen. Vorsicht mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen! Wer von euch hat sich eine Auszeit gewünscht? Einfach mal Pause. Stillstand? Ich. Bin ich jetzt Schuld? Sorry. Eine Pause. Tja. Da isse. Das Universum ist halt kreativer und krasser in der Umsetzung, als wir uns das wünschen könnten. Und jetzt? All you need is love? 

Beziehungsstatus: unkompliziert – frei nach Facebook. Also, ich finde Arletty hat recht. Und die Götter auch. Ich liebe gerne und fühle mich gut dabei. Und mehr Liebe an sich täte der Welt schon gut. Vielleicht sollten wir das alle üben. Wir müssen ja immer noch Abstand halten, da müssen wir nicht mit Mitmenschen anfangen: Essen. Wetter. Gerüche. Bücher. Und dann vielleicht Pflanzen, Tiere … sich selber. Liebe ist gesund. Hass macht krank. Eigentlich keine schwierige Entscheidung, wenn man vor dieser Alternative steht, selbst der egoistischste Mensch, der nur sich selbst liebt, müsste das verstehen. 

Mit dem Liebenüben nimmt das Hassen vielleicht ab. Das nervt mich nämlich. Selbst wenn ich mit Liebe begonnen habe und zum Beispiel bei Facebook schreibe: Ich liebe Sonnenschein! Dann kriege ich 17 Knuddler und drei Daumen hoch – und 58 wütende Gesichter, die mir sagen: „Aha, was ist mit Regen? Der ist total wichtig für unsere Landwirtschaft – und unsere Wälder sind auch ganz trocken. Echt scheiße von dir, hier den Regen so zu dissen! Du blöde Kuh!“ 

Und darunter streiten sich dann 179 Menschen über die Kommasetzung, den Regen an sich, das Hassenswerteste aneinander und beschuldigen sich gegenseitig, den Klimawandel zu leugnen oder zu befürworten. Sehr verwirrend. Und nicht liebenswert. Trotz des Abstands scheint Liebe gerade noch komplizierter. Weil jeder dünnhäutig ist. Weil du nicht weißt, wie die persönliche Kurve bezüglich Sorge oder Zuversicht des anderen gerade steht. Da kannst du einen Witz am einen Tag belachen und am nächsten darüber in Tränen ausbrechen. Wenn mir einer sagt: „Ja, die Kinder müssen zusammen spielen, das ist doch wichtig für ihre seelische Gesundheit. Und die gehen ja auch weniger viral als Erwachsene – oder wie nennt man das?“, nicke ich einmal nachsichtig und ein andermal schlag ich fast zu. Jeder, der gerade in einer anderen Stimmungslage ist, scheint dich persönlich anzugreifen. 

Uff. Lösungsvorschläge bitte! Freundliche, zugewandte, konstruktive! Es ist halt leider nicht schwarz und weiß, es gibt viele Nuancen, es gibt lauter persönliche Sichten auf alles. Es ist nicht immer einfach, andere Ansichten liebevoll zuzulassen. 

Und Toleranz ist eben keine Einbahnstraße, funktioniert nur in beide Richtungen. Meine persönlichen Spleens und Vorlieben dürfen halt keinen anderen schädigen oder übermäßig stressen. Aber da geht es ja schon los. Manchmal bin ich gestresst, weil der Mensch, den ich eigentlich liebe, ATMET. Andere werden aggressiv, weil sie NACHBARN haben mitten in der Großstadt. Kompliziert. 

Kategorischer Imperativ dann. Gut, Kant war auch ne „cunt“, kann man natürlich sagen, wenn man seine Theorien zu den „Rassen“ liest – aber er war halt auch ein Kind bzw. ein alter weißer Mann seiner Zeit. Sein berühmter Satz an sich stimmt ja. (Wisst ihr schon, oder? Handle so, dass die Maxime deines Handelns … oder halt: Was du nicht willst, dass man dir tut …) Aber das konsequent zu Ende gedacht …? Puh. Das überfordert mich in ähnlicher Weise, wie wenn ich versuche, mir das unendliche Weltall beim Ausdehnen vorzustellen. 

Wie sähe denn z. B. ein bequemes Leben OHNE AUSBEUTUNG ANDERER aus? Reicht da Liebe? 

„Liebe – ist doch so einfach!“ Der Film, in dem dieser Satz fällt, wurde mitten im Zweiten Weltkrieg gedreht, möglichst lange und mit möglichst vielen Menschen, die die Produzenten dadurch schützen wollten, dass sie bei dem Werk gebraucht wurden. Das war nervenaufreibend. Anstrengend. Viele hatten Angst. Und keiner wusste, wann es endlich vorbei sein würde und das Leben endlich wieder normal, schön und einfach. 

Arletty, die große Diva, die keinen Nachnamen brauchte, hatte währenddessen eine Liebesbeziehung mit einem Deutschen und wurde nach der Filmpremiere als Kollaborateurin verurteilt. Auch nicht unkompliziert. Und doch sagt sie diesen Satz im Film mit einer Klarheit, dass er sich in ein siebzehnjähriges Herz bohrt. 

Also: Liebe. Darauf läuft es raus. Kompliziert oder nicht: Liebt! Den Rest schaffen wir dann schon.

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ist Schauspielerin und Autorin. Mit ihrer Figur die Prenzlschwäbin hat sie schwäbische, deutsche und großstädtische Eigenheiten aufs Korn genommen und mit ihren YouTubeVideos und Liveauftritten Menschen im ganzen Land begeistert. Hoffentlich bald ist sie mit ihrem neuen Programm Toller Arsch wieder auf Tour. www.prenzlschwaebin.de 

 

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© Foto: Pavol Putnoki