30 Jahre Quatsch Comedy Club

Die Zentrale für Humor feiert Jubiläum

Fotos © Pavol Putnoki

Die Zentrale für Humor feiert Jubiläum

Es heißt, die Berlinerinnen und Berliner seien humorlos. Von wegen! Der Humor wird ihnen zwar gern mal abgesprochen, doch wäre dem wirklich so, hätte sich der Quatsch Comedy Club niemals in der Hauptstadt etablieren können. Er hat die Stand-up-Comedy in Deutschland populär gemacht und im Laufe seines 30-jährigen Bestehens ein neues Genre etabliert, für das er bereits unzählige bekannte Comedygrößen auf die Bühne geholt hat. Gründer und Intendant Thomas Hermanns gibt uns einen Einblick hinter die Kulissen des ersten Comedyclubs Deutschlands.

In Thomas Hermanns steckt ein Künstler und ein Unternehmer. Er steht auf den Mix: ein bisschen Rampensau-Gefühl hier, viel Planungssicherheit dort. Aus seiner Sicht sind Exceltabelle und Show eng miteinander verwoben. Eine Trennung zwischen Bühne und Produktion kennt er nicht: „Ich habe immer alle Shows selbst produziert, selbst Geld aufgetrieben, bin selbst zur Bank gegangen. Das gehört für mich irgendwie dazu, und das macht es auch spannend.“

Ohne all das würde es auch gar nicht funktionieren. Als Leiter eines unsubventionierten Privattheaters braucht er diesen analytischen Unternehmensblick umso mehr. Denn da gibt es nichts abzufedern. „Ich glaube, das Moderieren, Organisieren und Produzieren von Shows hat mehr mit einem Klassensprecher zu tun als mit den Leuten, die immer auf die Bühne springen wollen. Die Rampensau wäre mit der Ticketabrechnung oder dem Finanzamt überfordert. Damit es am Abend so leicht aussieht, braucht man gute Leute, viele Mitarbeiter, man muss kalkulieren und Exceltabellen lesen und verstehen können.“

Der Quatsch Comedy Club füllte vor 30 Jahren eine Lücke

Angefangen in Hamburg schloss der Quatsch Comedy Club vor etwa 30 Jahren eine Lücke in der deutschen Unterhaltungskultur. Es gab Kabarett, es gab Kleinkunst. Eine Comedyshow im Fernsehen suchte man vergeblich. Mit einer abendfüllenden, gemischten Show aus mehreren Leuten, die ihren kabarettistischen Blick auf den Alltag richteten, füllte der Quatsch Comedy Club eine Leere, die zuvor nicht weiter aufgefallen war. Was in den USA und in London längst zur guten Unterhaltung zählte, hielt nun auch in Deutschland Einzug. „Ich hatte immer so ein unkalkulierbares Export-Import-Gefühl, ich sah Lücken und fragte mich, warum es so etwas bei uns nicht gab. Gründe fanden sich natürlich Tausende. Tatsächlich war das Publikum letztlich froh, dass mal jemand über den Alltag sprach und dass es nicht 90 Minuten lang nur eine Person sehen musste“, so Hermanns über die gemischte Show.

In Hamburg gab es seinerzeit das Schmidt Theater. Wenige Komiker wie Monty Arnold, der mit Imitationen und Musik auftrat, standen damals auf der Bühne. Hermanns traf auch auf Olli Dittrich und über diesen auf Wigald Boning. Anfangs standen die Künstlerinnen und Künstler natürlich noch nicht Schlange: „Man musste die erst mal suchen und überzeugen.“ Also ging er eigenmächtig auf die Suche, bekam Leute empfohlen, ließ die Musik weg, verkürzte Zeitfenster und pirschte sich nach und nach an seine erste Show heran: „Wir haben aber auch richtig zu Hause gelernt und uns mit Eddie Murphys Soloprogramm hingesetzt, um zu schauen, wie Stand-up wirklich aussieht. Das ist eine andere Haltung als bei Kleinkunst. Da steht kein Tisch auf der Bühne, wo du mit Helmut Kohl telefonierst.“ Mit der Zeit entwickelte sich ein Geben und Nehmen, sodass interessierte Performer auch von selbst auf den Quatsch Comedy Club zukamen. Die Form der Mixed Show erwies sich als einfacher, denn niemand musste direkt 90 Minuten performen, ein Plakat drucken und auf Tour gehen, sondern konnte sich mal zehn Minuten ausprobieren. „Die Form und die Performer befruchteten sich gegenseitig“, blickt Hermanns zurück, „die Leichtigkeit der Mixed Show macht es den Performern leichter, in das Geschäft reinzuwachsen.“

Ich hätte nicht geahnt, dass es hier so werden würde wie in Los Angeles oder New York…

Das Fernsehen ließ nicht lange auf sich warten, denn auch im Privatfernsehen wurde es bunter: Late Night Show, Sketch Show, Stand-up-Show – auf der Suche nach neuen Inhalten bekamen die jungen Unterhaltungsmacher hinter dem Quatsch Comedy Club eine Chance. Nach dem ersten Bühnenauftakt kam das Fernsehen mit Premiere, wo die Comedians praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit üben konnten – eine Premiere-Box war damals richtig teuer. Der schnelle Erfolg gab Hermanns recht: Die Fernsehzuschauenden fanden die Programme witzig, spritzig, jünger und schalteten wieder ein. Auf 23 Folgen Pay-TV folgte schließlich Pro7 und damit die breite Masse.

Von Hamburg nach Berlin

Nach der zehnjährigen Station in Hamburg und mit Pro7 im Gepäck ging es nach Berlin. Obwohl sich damals auf der Reeperbahn Imperien ansiedelten und das neue Entertainment florierte, war Hermanns bei den Hamburger Banken noch ziemlich ins Leere gelaufen. Mit der Finanzierung über die Banken lief es in der Hauptstadt hingegen ein wenig einfacher: „Wir wollten ein eigenes Haus aufmachen, das bedeutete natürlich einen größeren Finanzierungsbedarf. Die Berliner Bankenlandschaft konnte glücklicherweise mit Kreativität etwas mehr anfangen. Die Banker hatten schon mal gehört, dass man damit durchaus Geld machen kann.“

Heute hat der Quatsch Comedy Club sein Stammhaus seit zwanzig Jahren in Berlin. In keiner anderen Stadt hat der Club so viele Shows gespielt wie in der Hauptstadt. Ganz Deutschland ist mittlerweile reich an Mixed Shows, wo Menschen mit ihrer Comedy beginnen und Erfahrungen sammeln können. Berlin ist mit der Open-Mic-Zentrale sogar Dreh- und Angelpunkt für junge Talente. Wegen der florierenden Open-Mic-Szene bringen die Künstlerinnen und Künstler heutzutage mehr Übung mit. Der Nachwuchs ist stark. „Ich hätte nicht geahnt, dass es hier so werden würde wie in Los Angeles oder New York, wo die Menschen die ganze Woche über für kein Geld auftreten, um besser zu werden und zu üben, bis sie zu uns kommen. Die können schon viel, viel mehr als noch vor fünf oder zehn Jahren“, schwärmt Hermanns.

Nach all den Jahren ist der Quatsch Comedy Club fast schon ein Generationenprojekt: Fast drei Generationen von Comedians und Comediennes standen inzwischen auf der Bühne des Clubs. Nur dass sich die jungen Menschen ihre Stand-up-Inspiration heute nicht mehr aus dem Fernsehen holen, sondern von YouTube: „Die sind mit Louis CK und anderen aufgewachsen“, weiß das Comedyurgestein.

Die Struktur des Quatsch Comedy Clubs

Auch heute versteht er zu rühren. Es gibt Momente während seiner Auftritte, wo es ganz still wird im Der Quatsch Comedy Club hat im Laufe der Jahre mit dem Theater und den Liveclubs eine ganz eigene Struktur entwickelt. Beim Quatsch Comedy Hot Shot bekommen beispielsweise junge Talente eine Gelegenheit, ihr Können zu beweisen. Das Publikum entscheidet, wer weiterkommt. Die Lacher und der Applaus zeigen, ob es rund läuft. Dreimal müssen die Comedians und Comediennes wiedergewählt werden und gehen dann in ein Jahresfinale. Dort entscheidet die Jury, wer die nächste Gewinnerin oder der nächste Gewinner wird. „Wir sind immer bereit für jemanden, der neue Impulse bringt“, sagt Hermanns und ergänzt: „Wir sind aber auch wieder da, wenn die TV-Karriere mal nicht mehr so läuft. Wer gut ist, darf bei uns auf die Bühne.“

Im Grunde bietet der Quatsch Comedy Club eine Form: Die Leute bewerben sich und treten vor Publikum auf. „Stand-up-Comedy kannst du nicht zu Hause vor dem Spiegel üben. Du kannst ein Lied singen mit deinem Gesangslehrer. Dann hörst du, ob du gut singen kannst. Wenn du aber kein Gegenüber hast, das dir Feedback gibt, wird es schwierig. Erst durch den Rhythmus und die Erfahrung des Publikums kannst du Stand-up lernen. Natürlich auch in einer etwas verdichteten Fassung.“ Dank dieser Talentpflege und der Offenheit für neue Impulse hat das Quatsch-Comedy-Prinzip schon sehr viele Größen hervorgebracht, wie z. B. Cindy aus Marzahn, Lisa Feller oder Chris Tall.

Hermanns vergleicht Quatsch mit einer Vase: Jedes neue Talent gleicht einer Blume, die möglicherweise in diese Vase passt. Diese Blume darf wachsen und gedeihen; gemeinsam ergeben sie einen Blumenstrauß. Und jede Blume kann nach einer gewissen Wachstumsphase selbst einen Blumenladen eröffnen. „Wir haben eine Art eingebauten Verjüngungseffekt“, erklärt der Gründer, „wenn jemand 18 ist, kann er hier beim Hot Shot anfangen, geht zum Talentabend, kommt in die Mixtur, dann ins Fernsehen. Das baut sich ganz organisch auf.“